Flaches Dreieck: 41,5 km von der Jöchelspitze
(vom immer noch lebenden Flugschreiber Markus S.)

Nach zwei Trainingstagen mit vielleicht Rekordpotential und zwei überschriebenen Flügen im Barographen weiß ich jetzt, daß eine Samplingrate von 1 Sekunde definitiv zu kurz für Heldentaten ist. Drum stellte ich am Sonntag, 10.5.98 lieber mal auf 25 Sekunden und schrieb ein Dreieck Jöchelspitzbahn Talstation, Ellbogner Spitze und Klimmspitze aus. Nach ausgiebigem Mailverkehr mit den Cracks wird man ja mutig, und Thermik war zu erwarten, daß es die Maulwürfe aus den Löchern zieht.

Am Start sah man die tollsten Sachen, wehte es doch jedesmal wüst herum, wenn die Ablösung gerade durch war und sich dann eine Meute rauskatapultierte um abzusaufen. Ich startete um 13 Uhr in einer ruhigen Phase und hatte ratz-fatz 3000m. Das reicht schön zum Startphoto Talstation und streßfrei wieder zurück. Nach insgesamt 30 min schon auf ruppigen 3200m Abflughöhe über das schon bekannte Holzgau Tal zur Roten Tenne. Das läßt sich ja gut an, - dachte ich mir.

Der erste Bart 500m über diesem unscheinbaren Gipfelchen fährt rein wie ein aufgebohrter Mähdrescher. Wohl `ne kleine Randturbulenz erwischt, kann ich noch denken, bevor ich krampfhaft versuche, dem amöbenhaft sich windenden Lappen neben mir Manieren beizubringen. Ist Schlabberlook jetzt wieder modern? Da bleibt sogar zwischenzeitlich genug Zeit mal die verbleibende Höhe abzuschätzen und mir zu überlegen, wo denn der Rettungsgriff sitzt. Aber die Rettung wäre bei dem
Ringelreihen erstmal auch nicht besser geflogen. Mit den schön kontrollierbaren 70% Klappern und Stalls beim Sicherheitstraining hat das jedenfalls nichts mehr zu tun. Jetzt ist Transferwissen gefragt. Beim Bullriding auf dem Messestand meines Schirmkonstrukteurs habe ich aber schließlich Stufe 7 auch durchgestanden und so geht auch dieser schier endlose Ringelpiez Gott sei Dank ohne Anfassen vorbei. Da merkt man übrigens, wie das mit der Relativität der Zeit gemeint war. Dieses Jahr ist mir jedenfalls wie drei vorgekommen. Uff!

Obwohl inzwischen schon fast unter Gipfelniveau dachte ich mir nach einem zaghaften Zweitversuch an diesem Monster, nix wie weiter. Entweder es kommt was besseres, oder es war ein Zeichen des HERRN, zum Landen zu gehen.  Es kam was besseres und zwar aus den südlichen Rinnen der Wildmahdspitze und des Muttekopfes. So ging´s nervenberuhigend zur ersten Wende Ellbogner Spitze, und dort parkte ich erstmal etwas ein und überlegte mir, ob das nun wirklich der richtige Gipfel ist. So eine Karte auf dem Schenkel hat schon was. Ich ging auf Risiko und sparte mir zurecht den nächsten Talsprung, der mich zum, wie ich jetzt weiß, Biberkopf gebracht hätte. Der wäre nicht mehr im Sektor gelegen. Der Rückweg mit einem großen Bogen um den Mähdrescher brachte mich in einen ruppigen 6m Bart an der Jöchelspitze SW-Flanke, den ich lieber „nur" bis 3200m auskurbelte und dann sofort nach Osten abdüste.

Ab hier begann langsam der Traum:
Bei einer Basis von zunächst ca. 3600m ging´s streckenweise im Delphinflug über die Gipfeln dahin. Ich drehte nur über der Rotwand und der Urbeleskarspitze mal kurz ein und ab ging´s zur zweiten Wende Klimmspitze. Nie unter 3000m hält sich der Streckenstress in sehr erträglichen Grenzen. Gipfel geknipst und zurück zur Urbeleskarspitze, wo ich aus Gipfelhöhe in einem sanften! Bart mit 1,5 - 4 m/s auf 3750m aufdrehte. Wahnsinn, das kann man keinem Nichtflieger begreiflich machen. Fast alles blau, irre Fernsicht, mit meinen zwei Jeans übereinander erträglich warm, da konnte ich nur noch laut singend die
verbleibenden 10 km dahinschweben. Was für ein Tag! Da hat man keine Sorgen mehr. Bei dem Gegröle müssen sich wohl auch noch ein paar Blasen gelöst haben, denn es ging immer wieder mal aufwärts. Mit 3000m über der Jöchelspitze angekommen war natürlich das Zielfoto auch kein Problem mehr und dann spiralte ich erstmal 1000m in wärmere Gefilde ab. Bei 100 Sachen drückt`s einem schon das Blut in die Beine, daß sie wieder warm werden und ich habe meinen Aspect tatsächlich in eine stabile Spirale gebracht. Der Rest war abgleiten in milder Nachmittagssonne, Wingovern, rumschauen und das Fliegen einfach so genießen, wie ich mir das früher immer vorgestellt habe. Und alles beim ersten hoffentlich richtig
dokumentierten Streckenflug. Zum guten Schluß noch eine fast verpatzte Landung, aber jetzt kann mich nichts mehr erschüttern. Der Tag wird schwer zu übertreffen sein.

Zwei Sachen habe ich jedenfalls gelernt: Bei 2300m Basis am Neunerköpfle ist Streckenfliegen bei weitem nicht so schön und so einfach, und die theoretische Beschäftigung mit der Materie hat sehr viel gebracht.
Armin, Guido und den anderen (alphabetisch) sei hier noch mal mein besonderer Dank ausgesprochen!

 


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