Freie Strecke: Von der Jöchelspitze nach Zöblen
(ein Abenteuer einer Lahmen Ente)

GPS-support: Track mit einigen Orientierungspunkten zum downloaden. Erlaubt den Kartenabgleich und das Mitfliegen vor dem geistigen Auge. Funktioniert auch ohne GPS, die Software WAYPOINT+ gibt's im Internet!
Wichtig: Start war an der Jöchel, nur habe ich das GPS erst nach dem Wegfliegen eingeschaltet!!

Track & Waypoints Jöchelspitze

WAYPOINT+ Software

 

Nun aber los:

Eigentlich hatten wir als Zielpunkt für diesen Tag den Thaneller vereinbart, allerdings eher willkürlich und wenig kalkuliert. Um es vorweg zu nehmen, nachdem ich mir diesen Thaneller und vor allem den Weg dorthin mal aus der Ferne angesehen hatte, ließ ich das Unterfangen bleiben und schaltete um auf "ganz freie Strecke", wie ich es mir immer schon mal gewünscht hatte.

Aber von Anfang an: Ermutigt durch einen Zielrück zur Klimmspitze am Freitag stand ich auch an diesem Samstag wieder voller Tatendrang am Startplatz der Jöchelspitze. Während der Rest der fröhlichen Gemeinschaft jeden Höhenmeter Anlauf wollte und zum oberen Startplatz schnaufte, war ich der Meinung der an der Wasserpumpstation reiche auch.

Ich weiß was Sie jetzt denken, zugegeben, es war auch Faulheit im Spiel, allerdings hatte ich dort auch meine Ruhe während sich oben schon alles drängelte. Die Bahn am Neunerköpfle fuhr dieses Wochenende nämlich nicht und so pilgerten Scharen von Gleitschirmfliegern karawanengleich zur Jöchel.

Ich wartete relativ lange mit dem Start, nachdem ich doch am Tag vorher feststellen mußte, daß die Basis vor 12.00Uhr noch etwas niedrig war und ich in meinem Streckenflugwahn in Elbigenalp schon wieder am Boden stand. Also ging ich so gegen 12.30Uhr 'raus, erste schöne Wolken markierten schon die Rennstrecke. Zunächst war dann allerdings suchen und einparken angesagt, mehr soarender Weise schlich ich den Berg hinauf. Aufgrund der besagten Revision am Neunerköpfle und den damit abgewanderten Piloten sank leider das sonst recht hohe fliegerische Niveau an der Jöchel auf ein Mindestmaß, immer den eigenen Schirm im Auge behaltend waren Vorflugregeln dann doch eher sekundär. Genervt von diesem Pappnasenaufmarsch versuchte ich mein Glück einen Grat weiter im Osten, mehr als einen Nuller gab's aber auch da nicht. Wieder an der Jöchel ging ein Pilot schräg hinter mir an der Rettung herunter, einen definitiven Grund konnte ich nicht ausmachen. Gottlob verfehlte er den schroffen Fels und ging auf einer steilen grasbewachsenen Fläche nieder, verletzte sich aber, soweit ich das beim Überflug feststellen konnte am Bein. Ich überflog ihn zwei Mal und rief ihn an, allerdings ohne Reaktion. Ich überlegte, wie ich an der Stelle hätte einlanden können, sah aber aufgrund der Turbulenzen in dem Gebiet keine Möglichkeit, die meine Gesundheit nicht gefährdet hätte. Also machte ich mich auf den Weg zum Startplatz, um den dortigen Piloten mitzuteilen, daß Hilfe notwendig ist. Im Anflug sah ich aber bereits zwei Helfer zum Unfallort eilen, so daß ich meinen Flug fortsetzen konnte. Die ganze Aktion hatte allerdings doch einiges an Höhe gekostet, also flog ich rüber an den Westhang, im Osten war nämlich die Luft voller Schaulustiger. Im Westen gab es zwar nichts neues aber so ganz langsam näherte ich mich dem Gipfel, immer noch soarender Weise und wohl wissend, das bald der Hubi kommen mußte und ich dann besser weg sein sollte.

Zu einem kleinen Schwatz mit zwei Bergsteigern ("Den Gipfel zu erreichen dauert zu Fuß aber ganz schön lange, oder??") reichte die Zeit noch, dann signalisierte mir mein Vario deutlich, wohin die Reise führen sollte. Ein satter Lift brachte mich auf 3300m und weit über die Jöchelspitze. Ab hier beflog ich dann eine echte Rennstrecke bis zur Klimmspitze, zwischenzeitlich ging es auf 3600m und eingedreht wurde nur unter 3000m. Ich delfinierte also so vor mich hin und dachte mir "hey, das muß echtes Streckenfliegen sein, so kommen die also vorwärts". An der Klimmspitze bzw. darüber drehte ich mit einem Omega zusammen noch einmal auf 3600m auf um dann mit dem Kollegen gemeinsam das Hornbachtal zu queren.

An der Stallkarspitze stand bereits eine schöne Wolke und einige hundert Meter vor mir sah ich dann auch schon den Omega kräftig steigen. Also schon mal anbremsen, 3-2-1 und los. Satte 6m/s ging es aufwärts, allerdings ohne Rodeo und wildes kämpfen, ganz ruhig und sachlich. Die Wolke hatte eine schöne Glockenform auf der Unterseite und aus der maximal tolerierbaren Wolkenberührung heraus stach ich durch den Rand dem Omega hinterher. So querten wir im Formationsflug auch das Schwarzwassertal und drehten an der Lailachspitze wieder gemeinsam auf. Dort trennten sich aber unsere Wege, während der freundliche Kollege Richtung Hahnenkamm davondüste querte ich das Birkental am oberen Ende und steuerte direkt auf die Sulzspitze zu. Abgesehen von einem Segelflugzeug schräg unter mir schien ich in diesem Meer von Wolkenfetzen der einzige Mensch auf dieser Welt zu sein, so intensiv hatte ich Fliegen noch nie erlebt.

Meine anfängliche Orientierungsschwäche in diesem Gebiet war nicht von Dauer, sah ich doch im Norden den Haldensee vorbeiziehen. Also war ich bald hinter dem Neunerköpfle und damit am Tannheimer Tal. Bereits jetzt trat breites Dauergrinsen ein, hatte ich doch nicht ernsthaft damit gerechnet, soweit zu kommen.

Angestrengt versuchte ich mich an Armins Bericht über den Flug vom Neunerköpfle Richtung Westen zum Iseler zu erinnern, Schlagworte schossen mir durch den Kopf: Der Einstein, nee, der ist auf der anderen Talseite, ups - der Gaichtwind, nee, weiter östlich, das Gaishorn! Genau, das Gaishorn soll man anfliegen, oder nicht? Und da war es schon, schräg vor mir, nichts wie hin. Unter mir lag jetzt der Vilsalpsee, also war ich richtig unterwegs.

Und genau über diesem Vilsalpsee geriet ich in ziemliches Saufen, vielleicht weil mir Armins Tip, ihn im Norden zu queren nicht mehr einfiel. Außerdem blies mir ein recht frischer Wind entgegen und um nicht ins Lee dieses Gaishorns zu geraten flog ich weiter nördlich auf eine kleinere Erhebung zu, die wie ich jetzt weiß Roßberg heißt. Aber auch für diese kam ich zu tief und aus leetechnischen Gründen driftete ich immer weiter Richtung Tannheimer Tal. Der Rettungsschlauch blieb dann aus aber ich war bereits sehr zufrieden über das Erreichte und daher auch nicht mehr so kampfeslustig, also suchte ich mir eine hübsche Wiese am Ortsrand von Zöblen aus und landete im frischen N-W-Wind hubschraubermäßig und sanft.

Nachdem ich mich anhand der beliebten C8726 erstmal orientiert hatte, suchte ich mein Geraffel zusammen und trabte an den Rand der Wiese, um mich dann meiner für fast 30°C doch etwas unpassenden Kleidung zu entledigen.
Das Einpacken wurde zum Ritual, so ärgerlich und verächtlich man manchmal seinen Schirm in den Packsack stopft, so sanft und dankbar bettete ich ihn heute in seinen Hangar, jedes Staubkorn liebevoll abwedelnd. Um der Wahrheit die Ehre zu geben war ich von diesem Flugerlebnis tief beeindruckt.

Weniger beeindruckend war dann allerdings die Taktfrequenz der Busse durch das Tannheimer Tal an einem Samstag, so daß ich mich zum Stoppen entschloß. Die Einheimischen fahren allerdings meist nur eine Ortschaft weiter und die Wochenendtouristen sehen uns zwar gerne fliegen und stürzen, einen solchen Typen mitzunehmen muß nun aber wirklich nicht sein. Möglicherweise wird da noch das Velours vom Mondeo dreckig, und überhaupt, der hat doch bestimmt geschwitzt und riecht - und unrasiert ist er auch noch. Und der große Sack, bestimmt alles leere Weinflaschen. So gibt ER kräftig Gas, den Blick stets entschlossen nach vorn, während SIE teils mitleidig teils schnippisch aus dem Fenster sieht.

Irgendwann hielt dann ein freundlicher Sportsmann mit MTB auf dem Autodach und nahm mich immerhin schon mal mit nach Weißenbach an die Lechtalstraße. Dieser nette Mensch scheint Rückholen zu seinem zweiten Hobby erklärt zu haben, erzählte er mir doch mit Begeisterung über die, die er auf seiner Fahrt schon mitgenommen hatte, wo diese herkamen, hin wollten und abgesoffen sind...

Der Bustakt im Lechtal ist auch nicht gerade atemberaubend, also stand ich in Weißenbach herum, dieses Mal dauerte es fast eine Stunde, bis ein Auto hielt. Es war natürlich auch ein Flieger, der von der Jöchel aus zu seiner Freundin an den Hahnenkamm geflogen war, und diese brachte ihn nun zurück zum Auto. Während wir so unsere Flüge rekapitulierten stellten wir fest, daß er den Omega flog und wir ohne es zu wissen ein bißchen gemeinsam "auf Strecke" waren - ein Wiedersehen, wie es wohl nur in unserem Sport vorkommen kann.

In Bach angekommen herrschte am Landeplatz bereits Partystimmung. Alle waren wieder da und hatten andere, eigene Abenteuer zu erzählen. Markus, der um eine Notdurft zu verrichten abspiralen mußte und von einem Motorradfahrer wieder Heim genommen wurde, Wolfgang, der ebenfalls über die Klimmspitze hinaus geflogen war und auch fast den Rückweg geschafft hätte, Armin schwebte noch ein, der sein großes FAI abgebrochen hatte und zu uns nach Bach geflogen war, um wieder zu seinem Auto zu kommen.

Auf dem Rückweg diskutierten wir begeistert über alles erlebte, eine fast euphorische Stimmung so in etwa wie nach dem ersten Höhenflug machte sich breit. Nur Armin war etwas still und beneidete uns XC-Anfänger um unsere Begeisterungsfähigkeit jenseits von Punkten und Kilometern. Ich hoffe, wir können uns diese lange erhalten.

Martin

 


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